
Interview mit Marie Raue, Eigentümerin und Geschäftsführerin des Restaurants Tim Raue
Namhafte Köchinnen und Köche haben sich von ihren Sternen getrennt, um unbelasteter ihrem Beruf nachzugehen. Das „Tim Raue“ hat 2 Sterne und zählt zu den „The World 50 Best Restaurants“. Sie haben Ihren damaligen Mann Tim Raue überzeugt, in Berlin ein Restaurant mit Stern-Niveau aufzubauen. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Projekt anzugehen?
Da gab es damals viele Gründe: zu dem Zeitpunkt hatten wir schon viele schöne Restaurantkonzepte erarbeitet und erfolgreich umgesetzt, aber oft war das Problem, dass wir dann in der Operativen von den Eigentümern oder Vorgesetzten bzw. GM (General Manager) ausgebremst wurden. Wenn man eine Gastronomie auf dem Niveau eröffnet, muss man einen langen finanziellen Atem mitbringen. Es kann bis zu drei Jahre dauern bis sich ein Konzept so etabliert hat, dass es sich auch finanziell rentiert. Übereilter Aktionismus oder ständige Konzeptänderungen sind da kontraproduktiv. Ich habe für mich persönlich eingesehen, dass ich lieber unabhängig sein möchte, Entscheidungen selber und schnell treffen und umsetzte, anstatt mich in stundenlange Meetings zu setzen, bei denen wenig rauskommt.
Als Eigentümerin, Geschäftsführerin und Gastgeberin des Restaurants waren Sie mit Ihrem Konzept Trendsetterin des „Casual Fine Dining“. Wird der klassische Stil der Haute Cuisine aussterben?
Ein Klientel, das diesem zugewandt ist und es auch favorisiert. Sie lächeln über die heutigen Casual Fine Dining Konzepte und für diesen Geschmack ist es das Größte ein Stück Fisch mit einer klassischen Beurre Blanc und einem Gemüse zu bestellen. Ich sage: jeder nach seinem Geschmack und seiner Façon. Es ist doch schön, dass wir gerade in Europa so viele verschiedene Möglichkeiten haben unterschiedlichste Restaurantkonzepte und Stile zu erleben und ausprobieren zu können.
Viele Gastronomiebetriebe kämpfen mit Personalmangel. Wie schaffen Sie es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden?
Wir haben von Anfang versucht eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Es gibt Mitarbeiter, die schon mehr als 8 Jahre mit uns arbeiten, sogar 10 oder 15 Jahre, darauf sind wir natürlich sehr stolz. Wir bemühen uns auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter als Arbeitgeber einzugehen und Ihnen eine sichere Perspektive zu schaffen.
Deswegen machen wir meistens Betriebsurlaub über die kompletten Weihnachtstage bis einschließlich Silvester, um so allen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben diese Zeit mit Ihrer Familie zu verbringen. Das ist heute umso wichtiger, da ja viele gar nicht ursprünglich aus Berlin kommen, sondern aus der ganzen Welt. Zusätzlich schließen wir für unsere Mitarbeiter ab einer bestimmten zeitlichen Betriebszugehörigkeit eine private Krankenzusatzversicherung ab.
Seit 2018 richten Sie „Ladies Lunches“ aus. Sehen Sie Frauen-Netzwerke als Gegenpol zu männlichen Seilschaften?
Ich sehe meine Ladies Lunches nicht als Gegenpol, sondern als erfrischende Notwendigkeit. Wir Frauen nehmen uns oft nicht genug Zeit, um uns selber etwas Gutes zu tun, und diese Lunches dienen nicht nur dazu Geschäftsbeziehung zu einander aufzubauen, sondern auch persönliche Erfahrungen auszutauschen und vor allen Dingen die Zeit zu genießen: Zeit für ein gutes Gespräch und Zeit dafür einfach nur Mensch zu sein.
Ihr Restaurant ist überaus erfolgreich. Damit das weiterhin so bleibt, müssen Sie immer 100 Prozent geben. Was tun Sie, um Energie zu schöpfen?
Ich schöpfe meine Energie aus verschiedenen Quellen. Ich meditiere regelmäßig über eine App, mache Sport, gehe viel Spazieren mit dem Hund an der frischen Luft und pflege meine Freundschaften und Nachbarschaften. Gerne gehe ich mit Freunden essen, aber am liebsten Koche oder grille ich selbst und genieße ein schönes Glas Wein dazu. Das sind die Momente, in denen ich voll Freude, Dankbarkeit und Demut bin und die mir Energie und Lebensfreude geben.
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